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Smart Studio “Remotehome“, 2003

“Remote home” wurde innerhalb von drei Monaten von einem interdiszipliären Team am Smart Studio / Interactive Institute in Stockholm, Sweden in 2003 realisiert. Das Team bestand ausTobias Schneidler (Architekt/team leader), Magnus Jonsson, Fredrik Petersson (Ingenieure) und anderen.

Stichworte: telematic art, information art, senses, presence indication (non-dialogical), unintenional interaction, passive interaction

“Remotehome” verbindet zwei Apartments mit Hilfe des Internets miteinander, eines in Berlin das andere in London. Sensoren, kinetische Aktuatoren und eine interaktive Lichtinstallation stellen diese Verbindung her. Den Fokus stellen zwei Sitzgelegenheiten dar, die jeweils in einem der Apartments stehen. Kinetische Antriebe die unter den jeweiligen Polsterelementen sitzen bewegen die Polstersegmente auf- und ab wodurch sie es quasi unbenutzber machen - und dadurch anzeigen das das entfernte Gegenstück besetzt ist.
Die Erklärung hierfür scheint daraus zu bestehen das ein Sofa schliesslich nicht von zwei Menschen gleichzeitig benutzt werden kann. Möglicherweise zeigt dies an das es weniger zwei verschiedene Apartments sind als vielmehr ein gemeinsam benutzter Raum, die räumlich Entfernung aufgeboben ist.

Ein weiteres Display zeigt Bewegung in dem jeweiligen Partnerapartment an. Bewegungssensoren aktivieren hierbei kinetische Aktuatoren die in einen Paravent eingelassen sind. Bewegt sich eine Person an einem der beiden Paravents vorbei werden die Aktuatoren des entfernten Gegenstücks ausgelöst und es bilden sich blasenartige Wölbungen auf seiner Oberfläche hervor. Damit werden nicht nur die Anwesenheit einer Person im entfernten Raum angezeigt, sondern auch deren Bewegungsrichtung.
Eine dritte Möglichkeit erlaubt schliesslich individuellere Ausdrucksmöglichkeiten: Eine Glasfläche die von unten beleuchtet wird ist mit feinem Kies bedeckt, an der Decke darüber sind Lichtsensoren angebracht. Durch malen oder zeichnen in diesem feinen Kies werden die Sensoren an der Decke aktiviert und kontrollieren eine Matrix aus Lichtern an der Decke des anderen Apartments. Dieses Element existiert nicht wechselseitig sonder an nur einem Ort. Dies soll einem entfernten Partner durch einfache Zeichnungen erlauben Stimmungen zu übermitteln, in einer gesturalen und non-verbalen Kommunikation.
Ein viertes Gerät ist eine mobile Tasche. Sie reagiert auf alle drei der bereits aufgeführten Modi und zwar in jeweils beiden Apartments. Unterschiede zwischen dem eigenen Partner in Berlin oder Menschen die sich unberechtigt in der eigenen Wohnung aufhalten sind nicht möglich.
Originalgraphik von remotehome.org. Auf dem Sofa in London sitzen macht die Benutzung des Berliner Gegenstücks unmöglich - und umgekehrt.

Remotehome benutzt interessante Ansätze in der Art wie Spatialität, Artifizialität und Transportation angewendet werden um zwei räumlich entfernte Wohnungen mit minimalen, non-verbalen Signalen miteinander zu verbinden.

Spatialität und Transformation in Remotehome

Aus der Sicht dieser Untersuchung ist besonders interessant wie in Remotehome menschliche Aktivitäten im Raum das Aussehen von alltäglichen Gegenständen am entfernten Ort beeinflussen. Es wird mit der Vorstellung von Hier und Dort gespielt doch Transportation, das Gefühl die unmittelbare physische Umgebung zurückzulassen, spielt hierbei keine Rolle. Es geht nie darum nach Dort transportiert zu werden sondern eher um eine Mischung aus spielerischer Intervention und Informationsdisplay. Die Vorgänge und (teils passiven) Interaktionen erklären sich nicht von selbst, eine Einführung und Wissen sind notwendig um die scheinbar autonomen Veränderungen der Gegenstände zu verstehen. Ein völlig uninitierter Besucher würde angesichts der sich ohne ersichtlichen Grund bewegenden Möbel und Lichteffekte eher an Spuk denken denn an telematisch übermittelte semantische Botschaften.

Ein weiterer Punkt ist das die komplexe technische Seite dieses Projekts an seiner Oberfläche nicht sichtbar ist. Es ist nicht Zielorientiert oder funktional im Sinne einer Anwendung und seine "Benutzerfreundlichkeit" (wenn wir sie so nennen wollen) ist sehr eingeschränkt nutzbar. Direkte Interaktion oder Kommunikation spielen keine Rolle. Dies leistet das Telefon. Ein Verbindung hätte ebenso mit Hilfe einer Audio-Videoverbindung hergestellt werden können - doch hier geschehen sie im physichen Raum und teils sind weder besonderes Wissen noch eine Absicht notwending die Senoren und Aktuatoren auszulösen. Es ist eine absichtslose oder passive Interaktion.

Zwei Partner miteinander zu verbinden hätte auch mit einer konventionellen Anwendung erzielt werden können. Eine aufdringliche Videoverbindung hätte es den Bewohnern erlaubt direkt miteinander zu kommunizieren. Doch eine subtilere und eleganter Lösung wurde gewählt.
Die Verbindung ist nicht aufdringlich sondern eine Sammlung von Signalen die die Erscheinung der Umgebung beeinflussen wie Licht, die Wände und Möbel. Man kann sie als Anwesenheitsindikatoren (presence indicators) oder Aktivitätsanzeigen (activity displays)bezeichnen. Deren Ziel ist nachdrücklich nicht den Bewohnern eine direkte Kommunikation zu ermöglichen sondern ihnen ein minimales Repertoire an Gesten zu ermöglichen sich über Anwesenheit, Stimmung und Aktivitäten auszutauschen. Die meisten dieser Gesten können nicht als willentliche, absichtsvolle Kommunkation angesehen werden.

Drei verschieden Kanäle werden in der Abbildung unten dargestellt: Körperbewegung im entfernten Apartment erzeugt Hier Beulen an der Wand. Eine ein-seitige Verbindung. Zeichnen im Sand Hier erzeugt eine Lichtzeichnung im entfernten Apartment. Eine ebenfalls einseitige Verbindung. Sitzen auf einem Sofa verändert die Erscheinung des anderen , entfernten Sofas. Die Verbindung ist synchron, geschieht also in Echtzeit, ist jedoch non-simultan d.h. nur eine Partei kann agieren und nicht beide gleichzeitig.

Transformation und Artifizialität in Remotehome

Artifizialität in der telematischen Rauminstallation Remotehome kommt besonders zum Vorschein in dem etwas beliebigen Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung, was auch als seine grösste konzeptionelle Schwäche erscheint: Das Verhältnis zwischen einer Aktion und deren Wirkung am Zielort erscheint zusammenhangslos und beliebig. Selbst wenn die Umgebungsänderungen semantisch decodiert werden entsteht kein Zusammenhang. Beulen in der Wand als Ergebnis den Raum zu durchqueren erscheinen weder als ein besonders verbindendes Erlebnis noch als ein besonders bedeutungsvolles. Jedoch sind die Art wie diese Signale in Remotehome ausgedrückt werden, sehr abstrakt und der Code artifiziell, nicht das Hauptproblem. Das mapping des Interaktionsprinzips des Sofas ist sehr klar und direkt - doch von seiner Nutzbarkeit aus gesehen nicht sehr glücklich.

Conclusion

Note to myself: What makes it telematic? Information art? Global awareness? Dialogical?

Das Projekt wurde von der Idee inspiriert zwei räumlich getrennten Partnern, oder besser zwei entfernte Apartments miteinander zu verbinden. Das Team von Remotehome geht davon aus das sich Beziehungen verändern wenn sich der Lebensstil ändert. Immer mehr Menschen führen eine Beziehung über eine Entfernung und betrachten mehr als einen Ort als ihr zuhause.
Das Projekt wurde ebenfalls beeinflusst durch ein MIT paper aus den fünfziger Jahren “Miracles of the next fifty years” von Waldemar Kaempffert einer Vision der Welt im Jahr 2000. Trotz seiner konzeptionellen Schwierigkeiten ist Remotehome eine spannende Studie in der Art wie Spatialität und Artifizialität sowie Transportation angewendet werden um zwei entfernte Orte mit minimalen, nonverbalen Hinweisen zu verbinden.
Remotehome ist ein komplexes Projekt das in einem beschränkten Zeitrahmen und einem Top-Down Ansatz umgesetzt wurde. (Anstelle eines Bottom-Up Ansatzes bei dem mehrere, kleinere Tests mit Personen zur Erhebung von Daten umgesetzt würden, um mehr über die Bedürfnisse, Einstellungen und Erfahrungen der Nutzer zu lernen. Dieses Wissen würde anschliessend genutzt werden um in verschiedenen Iterationen die Aufgabe zu konkretisieren und verschieden Lösungsansätze zu ermöglichen.) In remotehome begegnen sich Kunst, Design, Technik und Computerwissenschaften in dem fachübergreifenden Rahmen eines interdisziplinären Teams.

Links

http://remotehome.org
Waldemar Kaempffert: http://en.wikipedia.org/wiki/Waldemar_Kaempffert

letzte Änderungen: 29.3.02012 14:29

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