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Koji Setoh "Global Windchimes Project", 1999-


“Global Windchimes Project” von Koji Setoh ist der Telematischen Kunst, der Klangkunst und auch denjenigen Kunst & Design Projekten zuzurechnen die mit Hilfe von geographischen Entfernungen und Prozessen der Natur darauf zielen ein Globales Bewusstsein oder Weltbewusstsein zu erzeugen.
Zwei Windspiele mit unterschiedlichem Klang hängen in zwei verschiedenen Städten, in Tokio und auf der anderen Seite des Pazifiks, in Los Angeles. Jedes der Windspiele wird von einer Video Kamera gefilmt und dieser Live-video Strom wird auf einem Server bereitgehalten um von dort aus er per Webbrowser abgerufen zu werden. Sobald der Wind an beiden Orten gleichzeitig weht können die Besucher das Frage und Anwort Motiv hören das die unterschiedlichen Tonlagen der beiden Windspiele zusammen formen. Das Stück weckt ein Bewusstsein für geographische Entfernungen, unterschiedliche Tageszeiten und Witterungsbedingungen auf verschiedenen Kontinenten. Paradoxerweise kann das Stück nur mit Hilfe des Internets erlebt werden. Hier wird gleichzeitig mit zwei "Dorts" verbunden.

Gebiete: Telematische Kunst, Globales Bewusstsein, die Sinne, natürliche Prozesse, physische Welt, non-dialogisch

Image: by K.Setoh

Der in Tokio lebende Künstler, Wissenschaftler und DJ Kohji Setoh beschäftigt sich überwiegend mit Computer Musik und Medienkunst. Im Jahr 1999 gestaltete Setoh sein web-basiertes Sound Projekt "Global Wind Chimes Project,"1 das aus zwei Windspielen bestand die auf dem Campus zweier verschiedenen Universitäten platziert waren. Eines in Tokio, das andere in Los Angeles. Die beiden Windspiele hatten jeweils eine eigene Tonlage und hingen im Freien. An beiden Orten filmte eine Videokamera kontinuierlich die Windspiele die auf Luftbewegungen reagierten. Der resultierende Strom von Videodaten konnte über die Website des Projekts von überall auf der Welt abgerufen werden. Besucher des "Gobal Wind Chimes Project" öffneten zwei Fenster auf ihrem Bildschirm, eines mit dem Video aus Tokio, das andere mit jenem aus Los Angeles. Sowie der Wind gleichzeitig an beiden Orten jenseits des Pazifik wehte klangen die beiden Windspiele in Harmonie und formten so eine globales Kunst- bzw. Klangwerk.

Setoh’s Werk handelt von Identität, Lokalität und berührt auch Themen wie Globalisierung, telematische Technologie oder den Beobachtereffekt bzw. der Idee des "unabhängigen Beobachters."
Technologie, das Internet und Telematik bilden die Basis dieses Werks. Seine Charakteristik der telematischen Echtzeit-Verbindung widerspricht unserer gewöhnlichen Wahrnehmung der Welt indem sie den Besucher gleichzeitig mit zwei entfernten Orten verbindet - und ihn doch an seinem lokalen Ort zurücklässt. Physisch ist er oder sie "hier," doch die Sinne nehmen Klänge und Bilder wahr die von zwei zusätzlichen, weit entfernten Orten aus verschiedenen Zeitzonen stammen. Sich der Lebendigkeit der Ereignisse, der Beteiligung des natürlichen Prozesses Wind, und unmittelbaren Wirklichkeit bewusst zu werden vertieft die Empfindung des Erlebnisses. Was durch die technischen Bedingungen diese Stücks verloren geht, wie etwa durch den Bildschirm und un-sinnliche Wiedergabemedien, sowie den Einsatz telematischer Technik die unserer Wahrnehmung von Zeit und Raum widerspricht, wird wieder ausgeglichen durch die Erzeugung einer poetischen Geste der Erinnerung an einen natürlichen Prozess und ein lebendiges Gefühl globaler Verbundenheit.

Zusätzlich werden hier die widersprüchlichen Seiten der Technologien zum Bewusstsein gebracht. Während es auf der einen Seite Technologien und das Internet im besonderen sind, die die Globalisierung und ihre kontroversen Auswirkungen vorantreiben (wie die immer weiter zunehmenden Beschleunigung der Information oder der Abwanderung von Arbeitsplätzen, der Homogenisierung von lokaler Kultur) - sind es auf der anderen Seite eben jene Technologien die auch das "Global Wind Chimes Project" erst ermöglichen. Eben hier, in der Anwendung von Globalisierung und Telematik, zeigen sich die positiven "rettenden Kräfte" die der Technik wesenhaft ebenso innewohnen wie deren harmonisierenden Fähigkeiten und den negativen Effekten gegenüberstehen.

Jeder der beiden entfernten Orte trägt seinen individuellen Charakter, welcher durch das Windspiel repräsentiert wird, zu dem telematischen Erlebnis bei. Seine Identität, die Tonlage seines Klangs, und die Wetterbedingungen die seinen Ort bestimmen bilden einen essentiellen und wesenhaften Teil des Ganzen. Das individuelle, lokale Windspiel ist an sich bereits vollständig, doch gemeinsam bilden sie ein grösseres System; sie erzeugen den Gestalteffekt durch den das Ganze mehr darstellt als nur die Summe seiner Teile. Indem eine Örtlichkeit der anderen gegenüber gestellt wird hebt das Werk deren jeweilige individuelle Einzigartigkeit und Unterschiedlichkeit hervor. Diese vergleichende Gegenüberstellung erlaubt dem Besucher sich ihrer individuellen Charaktäre bewusst zu werden, ihrer individuellen Identität in der Vielfalt. Jede Entität bildet einen autonomen, einzigartigen und notwendigen Bestandteil des gesamten Eindrucks.

Der Besucher begegnet dem Werk als Beobachter doch spielt er tatsächlich die entscheidende Rolle in dessen Erzeugung. Das Werk hängt völlig von der Intervention des Besuchers ab. Es ist erst der Besuch auf der Website der ein Zusammentreffen der zwei räumlich getrennten Windspiele erzeugt. Es ist hier, an diesem dritten Ort, und ausschliesslich hier, wo es möglich ist das die zwei verschiedenen Tonlagen gemeinsam in Harmonie klingen können. Wo der Beobachter zum entscheidenden Teil eines System wird, wird uns bewusst das es sowas wie einen "unabhängigen Beobachter" nicht geben kann. Der harmonische Klang zwischen Tokio und Los Angeles kann nur entstehen wenn der Beobachter zum Handelnden wird.

Die natürlichen Prozesse Wind und Klang bilden die Grundlage dieses Kunstwerks. Es ist nicht interaktiv, dem Besucher fällt eine passive Rolle zu nachdem er das Werk zur Existenz gebracht hat. Diese Passivität erschafft den Raum zur Kontemplation und einer inneren Aufmerksamkeit für die telematischen Harmonien die die wesenhafte Qualität des Kunstwerks darstellen.

Hier, Dort: Transformation and Spatiality: “Global Wind Chimes Project.” Auf dem Bildschirm sind zwei Video Fenster sichtbar. Aus den Lautsprechern vermischt sich der Klang der beiden Windspiele.

Telematik bricht mit der gewöhnlichen Wahrnehmung des Raums. Der Besucher wird zum Erzeuger des Werks allein durch seine Anwesenheit, dem Besuch der Website. "Hier" der lokale Ort ist der einzige Ort wo es existieren kann.

Seit den 1980er Jahren haben Künstler Werke geschaffen die Live-Video Verbindungen zwischen entfernten Orten nutzten. Unter den bekannteren sind “Hole in Space” 2 von Galloway und Rabinowitz, eine “Öffentliche Kommunikationsskulptur” die New York City und Los Angeles verband. Ein weiteres Werk, “Hole in the earth” 3 von Ueda verbindet Bandung und Rotterdam, sowie “Global Village Square” 4 von deKerkhove, ein Projekt das bisher nur als Konzept existiert und zum Ziel hat traditionelle Märkte und Einkaufszentren verschiedener Städte weltweit miteinander zu verbinden.

Diese Projekte nutzen ähnliche Prinzipien und technische Voraussetzungen doch erzeugen sie ein völlig anderes Erlebnis. Im Kern geht es bei ihnen um Kommunikation und Dialog. Sie verbinden Menschen mit Menschen. Dies definiert ihre künstlerische Bedeutung neu, und zwar in dem Sinne das es sich nicht um Telematische Kunst handelt die primär mit räumlicher Entfernung, Örtlichkeit, Gleichzeitigkeit und innerer, kontemplativer Aufmerksamkeit arbeitet. Stattdessen funktionieren diese nach anderen Prinzipien. Wenn Menschen mit Menschen verbunden werden und dadurch ein Dialog ermöglicht wird, entsteht Kommunikationskunst, Kunst in der der Prozess der Kommunkation zum eigentlichen Kunstwerk wird.

“Global Wind Chimes Project” mit seinen telematischen Eigenschaften ist ein langsames, unaufdringliches und meditatives Projekt. Es stimuliert eine kontemplative Aufmerksamkeit, ein inneres Erleben und schafft Raum für eine kritische Distanz und Besinnung.

Links:

http://www.gnusic.net/~setoh/flow10/more.html

Notes:

1. Die Dokumentation der Originalversion des Global Wind Chimes Project kann hier gefunden werden: http://www.floweb.org/works/windchimes/index.html während eine neue Version hier zur Verfügung steht: http://www.floweb.org/beijing/
2. "Hole in Space" ist auf Video dokumentiert. Online ist es ist es hier zu erreichen: http://www.ecafe.com/getty/HIS/
3. Das telematische Antipoden Medienkunstprojekt "Hole in the Earth:" http://www.ueda.nl/earth/index.html
4. Etwas knappe Information zu "Global Village Square" am McLuhan Institut in Toronto: http://www.utoronto.ca/mcluhan/research_currprojects.htm

letzte Änderungen: 7.1.02008 0:53

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