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Ken Goldberg, Randall Packer, Wojciech Matusik and Gregory Kuhn: "Mori," 1999-

"In Mori hinterfragt die Unmittelbarkeit der telematischen Umarmung zwischen Erde und Besucher die Authenzität des computer-vermittelten Erlebnisses im Kontext menschlicher Zerbrechlichkeit, geologischer Dauerhaftigkeit und Wahrscheinlichkeit.” Goldberg

Mori, was im japanischen "Wald-Heiligtum" bedeutet erinnert auch an das römische "memento mori," eine Erinnerung an die Sterblichkeit. Die Installation transformiert die Echtzeit Signale eines Seismographen der die ständigen und oft nicht wahrnehmbaren Bewegungen der Kalifornischen Hayward Falte bei Berkeley misst in ein hörbares und visuelles Erlebnis.

Bild: von K.Goldberg

Die Installation besteht aus einem abgedunkelten Raum in den der Besucher mit Hilfe eines illuminierten Pfades, spiralförmig hineingeleitet wird. Michael Heim, möglicherweise von Carl Gustav Jung's Schriften zur Alchemie inspiriert, beschreibt die Spirale als "etwas das uns zu uns selbst führt." 1 In der Mythologie der Nord-Amerikanischen Hopi-Indianer ist die Spirale ein Symbol der "Mutter Erde." Im Zentrum der Spirale ist ein Bildschirm im Boden eingelassen der von einem hüfthohen Geländer umgeben ist. Niederfrequente Klänge hallen aus verborgenen Lautsprechern in dem Raum wider. Diese Klänge korrospondieren mit den animierten Grafiken auf dem Bildschirm und Repräsentieren das Daten des Seismographen.

Da die schwachen permanenten Bewegungen der Oberen Erdschichten von Menschen nicht wahrgenommen werden können ist dieses telematische Erlebnis ein Beispiel für die Transformation von Daten und der Eigenschaft des Besuchers Zweifel Aufzuheben (suspension of disbelief) um das Werk geniessen zu können. Hier trifft es sich mit einer der Hauptinteressen von Goldberg's Forschung, der fundamentalen tele-epistemologischen (oder telepistemologischen) Fragen: Wie können wir der Zuverlässigkeit von Daten vertrauen die uns von weit enfernte Orten erreicht? Die wir nicht durch die eigenen Sinne wahrnehmen? Sind sie real? Und was bedeutet "real" in diesem Zusammenhang?

Obwohl Goldberg bereits eine ganze Reihe verschiedener Telepräsenzprojekte vor und nach 'Mori' realisiert hat ist 'Mori' für dieses Projekt aus verschiedenen Gründen interessant.
Zuallererst setzt es sich mit der Transformation d.h. dem mappen von Daten von einem Medium in ein anderes, von einer Sinneswahrnehmung zur anderen, auseinander. In diesem Fall sind dies nicht wahrnehmbare Vibrationen die von einer hochempfindlichen Maschine in Sound (bzw. Musik) und Grafiken umgewandelt werden. Hierdurch werden die sehr abstrakten "Erdbebendaten" von unsinnlichen Zahlen zu einem bestechenden sinnlichen Erlebnis transformiert.
Zweitens bezieht es sich durch seinen Inhalt auf die physische Welt und natürliche Prozesse. Drittens liegt all diesem ein telematischer Prozess zugrunde.

Der Aspekt der Telepäsenz dieses Werks ist auf einzigartige Weise interessant. Tele-präsenz setzt üblicherweise "entfernte Präsenz" voraus oder zumindest ein "Dort" das nach "Hier" kommt. In diesem Fall ist diese Unterscheidung eine relative. Obwohl nämlich der Seismograph in einiger Entfernung, in einem anderen Teil Berkeley's steht, ist das geographische Ausmass der Hayward Falte derart gross das sie immer noch im anderen Teil Berkeley's, der Telematischen Ausstellung, Gültigkeit haben.

Würde der Detektor sich in den Ausstellungsräumen befinden wäre es möglich durch persönlich Intervention, beispielsweise durch gezielte Körperbewegung wie etwa Auf- und Abspringen, seine Wirkungsweise und Empfindlichkeit zu prüfen. Dies würde bedeuten eine interaktive Feedback-Schleife aus Ursache und Wirkung zur kritischen Prüfung zur Verfügung zu haben und so die Authenzität des Erlebnisses zu hinterfragen. Hier wird auch die Verwandtschaft zwischen Telematik und Transformation deutlich. Beide gebrauchen Maschinen die Daten für eine sensorische Modalität transformieren. Die eine von einem räumlich entfernten Ort, die andere von einer anderen sensorischen Modalität in eine andere.

In diesem Zusammenhang wird Telepräsenz oft auch mit Virtueller Realität (VR) verglichen da beide Technologien Daten von "anderen Orten" benutzten und über ähnliche Interfaces verfügen (zum Beispiel Head-Mounted Displays, Joysticks). In Telepräsenz wird ein realer, geographisch entfernter Ort (oft Computer-unterstützt) wahrgenommen, wohingegen bei VR ein nicht realer Computer-generierter Ort erlebt wird. Beiden gemeinsam ist das der Prozess in dessen Verlauf die Daten entstehen weder intuitiv verständlich noch transparent ist: Eine Black-Box.

Obwohl das generierte Ausgabeergebnis (output) gelegentlich die natürliche Realität simuliert (wie etwa in Architektursimulationen) ist wie dieser "Naturalismus" wahrgenommen wird, bis ins kleinste Detail das Ergebnis eines bewussten Gestaltungsvorgangs. Alle Eigenschaften die Visuelles oder Sound betreffen, subtilste Verhaltensweisen des Interface werden bestimmt von und erzeugt durch Computer-Vermittlung und werden im Verlauf dieses Prozesses verändert und verformt. Manchmal bis hin zu Unkenntlichkeit - und manchmal getreu der Erwartungen. Das Ergebnis ist, obwohl es "natürlich" erscheint vollständig künstlich und ein schein-bares.
Als Beispiel seien in diesem Zusammenhang moderne Kompressionsverfahren für Sound erwähnt. So sind die MP3-Codecs das Resultat von Forschung der psychoakustischen Wahrnehmung des Menschen. Ihre beeindruckende Kompressionsrate erzielen sie dadurch dass neunzig Prozent der, bereits "lossy" d.h. verlustreicher und unvollständigen (da nicht analogen) Originaldaten schlichtweg herausgerechnet werden! Und doch lässt sich das menschliche Ohr bei Pop-Musik gern täuschen und nimmt den Verlust dieser 90% nicht wahr.

Mori's transformierende Eigenschaften lässt an die klassische Visualisierung von Daten erinnern wie sie auch im Graphik-Design praktiziert wird, das dasselbe epistemologische Problem mit der Glaubenwürdigkeit von Informationen hat, ihrer Transparenz, Authenzität und Wahrheitstreue.
Bei der Visualisierung von Statistiken, der Modellierung von Wetterdaten, dem entwerfen von Landkarten, Diagrammen und Plänen müssen von den Designers bewusste (und oft politische) Entscheidungen getroffen werden. Diese Entscheidungen bestimmen nicht nur wie deren Erscheinung wahrgenommen wird sondern vor allem auch fundamental deren tatsächliche Aussage. (Zur Zeit ist dies sehr gut an der Diskussion zur Klimakatastrophe zu sehen. Die Modelle zur Analyse und Visualisation der Daten bestimmt den Diskurs.) Die fundamentale Aussage ist oft durch die subtile und verborgene Methode dem unkritischen Betrachter nicht deutlich und erscheint nicht transparent. Sollte, zum Beispiel, die Luftverschmutzung des Wetterberichts im Fernsehen möglicherweise in grellem Grün dargestellt werden um ein stärkeren Eindruck für ihre gesundheitsschädliche Wirkung zu erwecken? Jede statistische Visualisation ist immer nur eine von zahllosen Möglichkeiten.

Wo das klassische Roentgenbild noch eine analoge Technologie war die vom allgemeingebildeten Laien noch mit Wissen über Photographie begriffen werden konnte ist was wir heute als Resultat eines MRI-Scan (Magnetic Resonance Imaging) sehen ist, obwohl es sehr "natürlich" aussieht, ein zu 100% digitale und virtuelles Verfahren, und ausschliesslich ein durch Computer beeinflusster Prozess.

Seit den frühen Tagen der Teleskope und Mikroskope sind wir abhängig von Werkzeugen und Geräten die unsere - limitierten - Sinne erweitern, doch diese Erweiterung kommt zu dem Preis das wir zunehmend mit Repräsentationen des Realen umgehen - und nicht mehr mit dem Realen selbst. Im Laufe der Zeit haben wir nun begonnen diese Repräsentationen für die Realität zu halten indem wir durch sie und mit ihnen agieren als wären sie die Realität. Wir sehen dies in unserem Umgang mit Satellitenbildern, forensischer Medizin, Verkehrskameras, Mobiltelefon-tracking).

Lev Manovich schreibt in diesem Zusammenhang: "Jede Repräsentation die systematisch einige Eigenschaften der Realität erfasst kann als Instrument angewendet werden. Tatsächlich gehören die meisten Arten der Repräsentationen die nicht zur Geschichte des Illusionismus gehören - Diagramme, Tabellen, Landkarten und Roentgenbilder, Infrarot- und Radarbilder - zur Zweiten Geschichte, der der Repräsentationen als Instrumente der Handlung." p. 168

1) Heim, Michael (1998), "Virtual Realism" p.76

Zusammenfassung

Zwischen der grossformatig ausgelegten Installation - und dem eher kleinformatigen Monitor in ihrem Zentrum besteht nur scheinbar ein Widerspruch. (Da der Autor die Installation nicht selbst erlebt hat ist dies reine Spekulation.) Der Besucher erschliesst sich den Raum in einem choreographierten, narrativen Zugang. Der immersive Raum selbst ist unheimlich in seiner Dunkelheit, der zum Zentrum hin zunehmenden Lautstärke - und der sich an seinem mystisch Zentrum offenbarenden Information. Man würde erwarten das Besucher den unauffälligen Monitor mit seiner reduzierte und unemotionale animierte Kurve im Zentrum der Installation und der Aufmerksamkeit zu finden als enttäuschend wahrnehmen würde, doch ist dies nicht der Fall. Die gesamte Installation, mit ihrer Verwendung von Sound und ihrer Konzeption scheint in gut gestaltetes Ganzes zu bilden.

Auf der anderen Seite kann diese Eigenschaft auch ein bewusstes Gestaltungziel darstellen, da seine Absicht mit einschliesst Menschen die Genauigkeit und Gültigkeit der erlebten Information in Frage zu stellen. Diese kritische Distanz und bewusste Zweifel gelingen leichter mit minimalistischen und reduzierten Ausdrucksmitteln denn ein lautes Spektal mit sensorischer Überlastung die den Besucher überfordern, die Sinne abstumpfen und kritische Reflektion wenig wahrscheinlich machen.

Transformation in "Mori"

Die Information dieses Diagram's wurde integriert in das Diagram darunter.

Here/There: Transformation und Räumlichkeit

Obwohl der Seismograph technisch gesehen an einem entfernten Ort plaziert ist handelt das Werk konzeptionell von dem Grund unter der Ausstellung, dem Boden unter den Füssen der Besucher. Als Ergebnis dieser Entscheidung entsteht nicht der Eindruck eines genau lokalisierbaren "Dorts" - es geht um das Hier und Jetzt.
Die Installation hat immersive Qualitäten da Besucher entlang eines erleuchteten Pfades in den abgedunkelten Raum gleitet werden. Die Daten des Seismographen (blaue Linie) der kleinste Bewegungen des Erdbodens erfasst, werden zu zwei verschiedenen sensorischen Modalitäten transformiert, Sound (schwarz) und Graphik (braun). Der niederfrequente Klang nimmt zu je näher der Besucher ins Zentrum der Installation tritt. Dort findert er den Bildschirm vor der kontinuierlich die Kurve darstellt die aus den Daten des Seismographen berrechnet wird.

Links:

http://www.zakros.com/projects/mori.html Zakros's Seite zu Mori mit Video walk-through.
Ken Goldberg's Beschreibung: http://www.ieor.berkeley.edu/~goldberg/art/mori/technical.html
http://memento.ieor.berkeley.edu/ enthält einige links zu den Sounds sowie Graphiken.

Klassifikation von "Mori" als interaktive Installation



Die Installation ist an einem einzigen Ort . (Doch können zahllose Besucher die Website des Projekts besuchen die die Daten spiegelt.)

Es handelt sich um eine Ein-seitige Verbindung, (ansonsten könnten Besucher Erdbeben erzeugen.)

Der abgedunkelte Raum und die Klänge bereiten einen Immersiven Rahmen.
Aus diesem Grund ist es mehr eine räumliche Installation denn ein Bildschirm-basiertes Werk.

Berührungslos Ausschliesslich visuelle und hörbare Signale.

Nicht-interaktives Display. Die Erscheinung der Daten kann nicht beeinflusst werden.

Das Werk ist Ein-Deutig, doch die Validität der Daten soll hinterfragt werden. Transparent? Die Funktion mag nach einer Weile klar erscheinen.

Das Werk ist nicht interaktiv. Nicht-interkatives Display.


Keine kollaborativen Einsätze. Non-interactive display.

Live Daten von einer Quelle: Seismograph

Besucher nehmen die Daten als lokal wahr, obwohl sie aus einer Entfernung kommen.Dies ist relativ. Wie lokal bedeutet "lokal"? Wie weit ist "entfernt"?

Es gibt zwei multimodale Displays. Lautsprecher und Bildschirm.

letzte Änderungen: 7.1.02008 0:53

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